Nach 17 Veranstaltungen ist Schluss

Die Kongresse für Erziehung und Bildung werden eingestellt. Das haben die Veranstalter, Karl Gebauer und Beatrix Schminke-Gebauer, mitgeteilt. 17 Mal präsentierten bei den Kongressen Wissenschaftler aktuelle Forschungsergebnisse den Teilnehmern: Lehrern, Erziehern und Sozialpädagogen.

Erschienen im Göttinger Tageblatt am 14.03.2018: http://www.goettinger-tageblatt.de/Campus/Goettingen/Goettinger-Kongress-fuer-Erziehung-und-Bildung-nach-17-Veranstaltungen-beendet

Göttingen. Die Kongresse für Erziehung und Bildung werden eingestellt. Das haben die Veranstalter, das Ehepaar Karl Gebauer und Beatrix Schminke-Gebauer, mitgeteilt. 17 Mal präsentierten bei den Kongressen Wissenschaftler aktuelle Forschungsergebnisse den Teilnehmern: Lehrern, Erziehern und Sozialpädagogen.

„Wieso verstehen das alle, nur ich nicht?“, erkundigte sich ein Drittklässler nach dem Matheunterricht bei seinem Lehrer, Gebauer. „Das würde ich selbst gerne wissen“, dachte der langjährige Rektor der Göttinger Leineberg-Grundschule. „Um solche Fragen zu klären, müssten wir Lehrkräfte und Erzieherinnen mit Wissenschaftlern zusammenbringen“, sagte Gebauer im Gespräch mit dem Göttinger Neurobiologen, Prof. Gerald Hüther. Damit kam die Kongressidee bei dem Pädagogen auf.

900 Teilnehmer beim ersten Kongress im Jahr 2000

„Für die erste Veranstaltung im Jahr 2000 mieteten wir einen kleinen Raum im Zentralen Hörsaalgebäude der Universität“, erinnert sich Gebauer (78). Doch bereits 14 Tage nach Verschicken der Einladungen habe es 300 Anmeldungen gegeben. Am Ende seien 900 Teilnehmer gekommen.

„Wir haben den Nerv der Zeit getroffen“, erklärt der Pädagoge, der damals nach 35 Berufsjahren vor der Pensionierung stand. Um die Jahrtausendwende häfuten sich Probleme mit schwierigen Kindern. Die Arbeitsbelastung habe zugenommen. Gleichzeitig sei das Interesse an den Neurowissenschaften groß gewesen, erinnert sich Gebauer

Interdisziplinärer Ansatz

„Professor Hüther gehörte in den ersten Jahren zu den Mitveranstaltern“, sagt Gebauer. Dann trennten sich ihre Wege. „Ich wollte den Kreis der Referenten für Schulforscher, Psychologen, Soziologen und Philosophen öffnen“, führt Gebauer aus. Aus verschiedenen Blickwinkeln sollten drängende Fragen der Praxis beleuchtet werden. Dafür habe er Fachleute wie den Schweizer Kinderarzt Remo Lago, den Freiburger Psychiater Joachim Bauer oder den Heidelberger Mediziner Franz Resch gewonnen. Allein beim letzten Kongress sprachen 30 Referenten.

Kritik an „messender Pädagogik“

„Kritisch standen wir von Anfang an der messenden Pädagogik gegenüber, wie sie in den Pisa-Studien zum Ausdruck kommt“, erläutert der ehemalige Lehrer. Das Team habe immer mehr die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und nicht das „Eintrichtern“ von Wissen im Blick gehabt.

„Um Teilnehmer zu aktivieren, haben wir im Laufe der Jahre zunehmend Workshops und Diskussionsforen angeboten“, sagt Schminke-Gebauer (65). Aus ihrer Arbeit als Erzieherin und Heilpädagogin wisse sie, wie anstrengend die Tätigkeit im Erziehungswesen sei. Daher habe es während der Kongresse auch künstlerische Angebote gegeben. So malten 80 bis 100 Teilnehmer mit Ute Wieder vom Göttinger Kinderatelier im ersten Stock des Zentralen Hörsaalgebäudes. Der Gießener Kinderliedermacher, Frederik Vahle, („Der Cowboy Jim aus Texas“) sei mehrmals zu Gast gewesen.

„Wir haben zudem Schüler eingebunden“, sagt Gebauer. Die Jazztified-Band des Göttinger Hainberg-Gymnasiums sei ebenso aufgetreten wie der Kinder- und Jugendzirkus der IGS. Das Catering übernahmen Arnoldi-Schüler.

Frauenanteil von 80 Prozent

„Mit 1000 bis 1400 Teilnehmern hat sich unsere Veranstaltung zu einem der größten deutschen Bildungskongresse entwickelt“, betont Gebauer, der 2004 promovierte. 80 Prozent der Teilnehmer seien Frauen gewesen. Ein gutes Drittel habe aus Südniedersachsen gestammt. Stark vertreten seien Bürger aus den angrenzenden Bundesländern gewesen. Zum Teil seien ganze Fachschul-Klassen mit ihren Dozenten angereist. Einmal hätten sie den Kongress auch in Heidelberg und dreimal in Wolfsburg durchgeführt.

„Wir haben unsere beiden Söhne und die Tochter in die Durchführung eingebunden“, sagt Schminke-Gebauer. Acht Personen sei das Vorbereitungsteam stark gewesen. „Das finanzielle Risiko der 40 000 bis 50 000 Euro teuren Veranstaltung haben meine Frau und ich getragen“, betont Gebauer. Nun hörten sie altersbedingt auf. Vorträge etwa zur Lehrergesundheit oder zu den Folgen der Digitalisierung will Gebauer aber weiter halten.

Von Michael Caspar