Kongresse

Verehrte Leserinnen und Leser, wegen der Pandemie mußten wir in der Kongressgestaltung eine mehrjährige Pause einlegen. Beim diesjährigen Kongress geben wir einen kurzen Rückblick auf unsere Arbeit und übergeben die Kongressleitung an die nachfolgende Generation.

https://goettingerkongress.de/

Der „Göttinger Kongress für Erziehung & Bildung“ hat eine lange Tradition. Er wurde von Beatrix Schminke-Gebauer und Dr. Karl Gebauer ins Leben gerufen und über viele Jahre durchgeführt. Hier erfahrt Ihr von ihnen selbst, wie der Kongress entstanden ist und was der Kongress über die vielen Jahre inhaltlich bewegt hat.

GEDANKEN ZUR GESCHICHTE DER GÖTTINGER KONGRESSE FÜR ERZIEHUNG UND BILDUNG

Der Beginn der „Göttinger Kongresse für Erziehung und Bildung“ fällt in das Jahr 2000. In diesem Jahr erschien auch die erste PISA-Studie, die eine große öffentliche Debatte über das Bildungssystem auslöste.

Damit ist der gesellschaftspolitische Hintergrund angedeutet. Der persönliche Hintergrund dieser wissenschaftlichen Tagung, die fortan jährlich in der Georg-August-Universität in Göttingen stattfand, waren unsere langjährigen Erfahrungen, die wir in Kitas und Schulen gesammelt hatten: Beatrix Schminke-Gebauer als Erzieherin und Heilpädagogin, Dr. Karl Gebauer als Lehrer und Schulleiter.

Wir hatten in den vielen Jahren unserer praktischen Tätigkeiten in Kitas und Schulen vielfältige Erfahrungen gesammelt.

In vielen Arbeitsbesprechungen hatten wir uns Methoden angeeignet, mit denen es möglich war, auch schwierige Probleme des Alltags zu lösen. Zum Kern unserer Arbeit gehörten Teamarbeit und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Unsere Erfahrungen vertieften wir in täglichen Gesprächen und Diskussionen. Vor diesem Erfahrungshintergrund entstand der Wunsch, eine noch stärkere Verbindung von Praxis und Wissenschaft anzustreben.
Schnell wurde uns klar, dass die Bindungsforschung ganz entscheidende Ergebnisse – auch für unsere praktische Arbeit – bereit hielt. Wir suchten zusammen mit anderen Wissenschaftlern nach einem professionellen Erfahrungsaustausch mit Vertreter:innen dieses Forschungsbereichs. Diese Idee realisierten wir in Kooperation mit Wissenschaftler:innen der Göttinger Universität. Für den Start und die ersten Jahren spielte der Gedankenaustausch mit Prof. Dr. Hüther eine wichtige Rolle.Der erste Kongress trug den Titel: „Im Teufelskreis der Selbstbezogenheit“. Die Ankündigung dieses Kongresses führte zu einem Ansturm von Interessierten aus dem gesamten Bundesgebiet. Dieses Interesse hielt über viele Jahre an.

Wir haben uns über die große Resonanz, die unser breitgefächertes Themenangebot gerade bei Erzieher:innen, Sozialpädagog:innen, Tagespflegepersonen und ihren jeweiligen Ausbildungsinstitutionen auslöste, sehr gefreut. Die positiven Rückmeldungen, die wir gerade aus ihrem Kreis erhielten, haben uns motiviert, jährlich einen Kongress zu organisieren und zu realisieren.

Im Zentrum – nicht nur des ersten Kongresses – stand die Bindungstheorie. Die Ergebnisse haben wir in dem Band: „Kinder brauchen Wurzeln“ publiziert. Auch von einigen nachfolgenden Kongressen liegen Kongressbände vor, z.B.:

„Kinder suchen Orientierung – Anregungen für eine sinnstiftende Erziehung“
„Kinder brauchen Vertrauen – Erfolgreiches Lernen durch starke Beziehungen“
„Anders lernen – Modelle für die Zukunft“
„Lernen braucht Vertrauen – Perspektiven für eine innovative Schule“

Die Grundlagen für die gelingende Entwicklung eines Menschen werden in der frühen Kindheit gelegt. Im Verlauf der Entwicklung müssen diese aber ergänzt werden durch bildungsförderliche Erfahrung von Selbstwirksamkeit. Resonanz ist als dritter Aspekt für gelingende Bildungsprozesse zu nennen.

Heute können wir festhalten:

Die Frage nach dem Sinn von Bildung rückte dabei immer stärker in den Vordergrund. Wegweisend war für uns die „Philosophie einer humanen Bildung“ (Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin).

Wir haben versucht, möglichst viele zentrale Wissenschaftsbereiche, die für Erziehung und Bildung eine Bedeutung haben, einzubeziehen. So war es uns wichtig, dass neben der Säuglings-, Bindungs- und Hirnforschung, auch die psychoanalytischen, soziologischen und philosophischen Diskurse im Verlauf der Kongresse gepflegt wurden. Dieser interdisziplinäre Ansatz stellte das Gerüst unserer Kongresse dar.

Gleichrangig neben den Inhalten, die in frühkindlichen Lernprozessen eine Rolle spielen, wurden Themen bearbeitet, die sich auf die konkrete Arbeit von Erzieherinnen und Lehrerinnen bezogen: Selbstfürsorge, Resilienz, Teamarbeit, Kommunikationsfähigkeit und interkulturelle Kompetenz seien beispielhaft genannt.
Sehr wichtig für unsere Kongressarbeit waren die vielfältigen Erfahrungen und innovativen Beispiele aus der praktischen Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen.
Die Themen der Kongresse wurde in Vorträgen, Diskussionsforen und Workshops bearbeitet und durch einen Markt der Möglichkeiten ergänzt.

Themen waren zum Beispiel:

  • Kinder auf der Suche nach Orientierung – Perspektiven für eine gelingende Kindheit
  • Krisen meistern – Psychosoziale Kompetenz als Ziel von Erziehung und Bildung
  • Modelle für die Zukunft – Wie sich Bildungseinrichtungen in Lernwerkstätten verwandeln lassen
  • Wertschätzung schafft Bildung
  • Solidarität und Selbstfürsorge – Orientierung in unübersichtlichen Zeiten
  • Die Würde des Menschen achten – Wege zur Inklusion in KiTa, Schule und Gesellschaft
  • Spielräume – Entwicklungsräume – Innere Stärke durch Bewegung, Kunst & Musik

Die Realisierung der Kongressarbeit machte schnell deutlich, dass wir sie ohne Unterstützung nicht würden leisten können. Nun kamen unsere Kinder und Freund*innen ins Gespräch. So wurde die Homepage des Kongresses von unserem Sohn Max in Kooperation mit Conny Blaack erstellt. Frau Blaack war auch für das Design des Kongressheftes verantwortlich. Zusammen mit Franziska Löwenstein, die für den gesamten Bereich der Ausstellung zuständig war, leitete sie auch vor Ort das Kongressbüro. Unser Sohn Felix beteiligte sich vor allem an der Moderation verschiedener Veranstaltungen, während Max die vielfältigen technischen Aufgaben im Blick hatte und in konkreten Fällen schnell für eine Lösung sorgte.

Wir haben uns über den gesamten Zeitrum als verantwortliches Kongressleitungsteam verstanden. Unsere Arbeit wurde durch wechselnde Mitarbeiter begleitet und ergänzt, in den letzten Jahren vor allem durch das „Netzwerk Lehrkräftefortbildung“ der Georg-August-Universität.

Der Atmosphäre der Kongresse haben wir immer eine besondere Bedeutung beigemessen. In der Art der Gestaltung sollten unsere Gäste Wertschätzung erfahren. So gab es ein umfassendes und abwechslungsreiches Rahmenprogramm.

Oft begrüßte eine Schülerband die Teilnehmenden. Ein anderes Mal gastierte ein Schülerzirkus. Schüler:innen stellten zum Beispiel unter Leitung einer Theaterpädagogin Kernaussagen ausgewählter Vorträge in kurzen Szenen vor. Schülerinnen der BBS I (Göttingen) sorgten im Rahmen ihrer Schülerfirma unter Leitung ihrer Klassenlehrer:innen für die Versorgung der Gäste mit Getränken und Gebäck. Aussteller:innen – besonders eine Buchhandlung – sorgten für einen anregungsreichen Rahmen. Ein Kunstworkshop zum gestalterischen Umgang mit unterschiedlichen Materialien brachte Anregungen und auch Entspannung in die Kongressarbeit. Weitere Mitarbeiter:innen des Kongresse (Schüler:innen und Student:innen) begleiteten die Referent:innen, einige moderierten deren Beiträge und bekamen so einen Einblick in das weite und interessante Feld von Bildung und Erziehung.

Unser Anliegen war es, den Kongressteilnehmer:innen ein praktisches, theoretisch begründetes Angebot zu machen, das sie bei der Ausübung ihrer interessanten und sehr komplexen Berufstätigkeit unterstützen könnte.

An dieser Stelle sei allen Mitwirkenden herzlich gedankt.
Wir wünschen den zukünftigen Veranstalter*innen der Kongresse
gutes Gelingen.

Göttingen, Juni 2024
Dr. Karl Gebauer und Beatrix Schminke-Gebauer

Rückblick

Foto: Christina Berger

Die Göttinger Erziehungs- und Bildungskongresse richten sich an Lehrer/Lehrerinnen, Erzieherinnen, Sozialpädagogen, Kinderärzte, Kinder- und Jugendpsychiater, Therapeuten, Eltern und an eine interessierte Öffentlichkeit.

Es ist schon Tradition: Im Herbst treffen sich im zentralen Hörsaalgebäude der Universität Göttingen Wissenschaftler, Erzieherinnen, Sozialpädagogen, Lehrkräfte und interessierte Eltern zu einem Diskurs über aktuelle Erziehungs- und Bildungsfragen. Der erste Kongress fand im November 2000 statt. Sein Thema: „Im Teufelskreis der Selbstbezogenheit“. Damals konnte niemand ahnen, dass sich daraus einmal die größten Bildungskongresse  Deutschlands entwickeln würden.

Mein Anliegen war es in den vielen Jahren, eine Verbindung von Praxis und Wissenschaft herzustellen. Ich stand damals kurz vor meiner Pensionierung, war 25 Jahre als Schulleiter der Leinebergschule in Göttingen tätig gewesen. Zusammen mit meinen Kolleginnen sind wir in diesen Jahren den Problemen nicht ausgewichen. Wir haben sie zu Themen in unseren wöchentlichen Gesprächsrunden gemacht. Wir eigneten uns Arbeitsmethoden an, mit denen es möglich war, auch schwierige Probleme zu lösen. Manchmal zogen wir Wissenschaftler zu Rate. Aber der Kern unserer Arbeit bestand in der Selbstreflexion des komplexen Feldes: Erziehung und Bildung. Die Frage nach dem Sinn von Bildung stand dabei im Vordergrund. Insofern standen wir den Bestrebungen vieler Erziehungswissenschaftler, die den Schwerpunkt auf das Vermessen von Bildung legten, äußerst kritisch gegenüber. Es hat sich gezeigt, dass diese Haltung richtig war. Das bedeutet nicht, dass wir uns von der Wissenschaft abgewendet hätten. Im Gegenteil: Wir spürten, dass Antworten auf die vielen Fragen, die sich in unserer Arbeit  stellten, von der Wissenschaft kommen mussten. Aber nicht von einer Wissenschaft, die der Ökonomisierung und Bürokratisierung der Schule Vorschub leistete. In der folgenden Zeit habe ich versucht, möglichst alle Wissenschaftsbereiche, die für Erziehung und Bildung eine Bedeutung haben, einzubeziehen. So war es mir wichtig, dass neben der Säuglings, Bindungs- und Hirnforschung, auch die psychoanalytischen, soziologischen und philosophischen Diskurse im Verlauf der Kongresse gepflegt wurden.

Die Bedeutung frühkindlicher Entwicklungs- und Bildungsprozesse steht seit einigen Jahren im Fokus wissenschaftlicher und praxisbezogener Forschungen. Die Göttinger Erziehungs- und Bildungskongresse griffen dieses Thema auf und widmeten ihm eine besondere Aufmerksamkeit. Der interdisziplinäre Ansatz der Kongresse ist nach den bisherigen Erfahrungen besonders wirkungsvoll. Gleichrangig zu den traditionellen Inhalten, die in frühkindlichen Lernprozessen eine Rolle spielen, werden Themen bearbeitet, die sich auf das Bildungs- und Betreuungspersonal beziehen: Selbstfürsorge, Resilienz, Teamarbeit, Kommunikationsfähigkeit und  interkulturelle Kompetenz seien beispielhaft genannt.

Die Themen der Kongresse werden  in Vorträgen, Diskussionsforen und Workshops bearbeitet und ergänzt durch einen Markt der Möglichkeiten.

Der  Atmosphäre eines Kongresse habe ich immer eine besondere Bedeutung beigemessen. In der Art der Gestaltung sollen Erzieherinnen und Lehrkräfte eine Wertschätzung erfahren.  In der Regel findet ein Kongress am Wochenende statt.  Erzieher_Innen und Lehrer_Innen haben eine harte Arbeitswoche hinter sich und beschäftigen sich während ihres freien Wochenendes mit Fragen ihres Berufsalltags. Das bedarf einer besonderen Würdigung.

Das Rahmenprogramm ist ein wesentlicher Teil der Kongressarbeit. Dazu können gehören: 

Schülergruppen (Klasse 11/12), die sich im Vorfeld mit den Vortragsskizzen der Referenten beschäftigen und unter Leitung einer  Theaterpädagogin auf kreative Weise die Inhalte ausgewählter Vorträge in kurzen Szenen darstellen.

Schülergruppen einer BBS, die im Rahmen einer Schülerfirma unter Leitung ihrer Klassenlehrerin für die Versorgung der Gäste mit Getränken und Gebäck sorgen.

Musikalische Begrüßung der Gäste durch eine Schülerband.

Aussteller – besonders  ein  Büchertisch – sorgen für einen anregungsreichen Rahmen.

Die Pausen zwischen den Vorträgen sind so gestaltet, dass die Teilnehmer die Möglichkeit zum Gedankenaustausch haben. So kann ein Ideenworkshop zum gestalterischen Umgang mit unterschiedlichen Materialien für Anregung und Entspannung sorgen.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begleiten die Referentinnen und Referenten, moderieren ihre Beiträge und sorgen für eine funktionierende Technik.

In einer anregungsreichen Atmosphäre sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kongresses erleben, dass es viele Menschen aus ihrem Berufsfeld gibt, die sich um Wissenserweiterung und den Austausch von Erfahrungen bemühen.

Der Kongress möchte Erzieherinnen, Therapeuten, Sozialpädagoginnen, Lehrerinnen,  Lehrern und Leiterinnen von Kindertagesstätten ein Angebot machen, das ihnen hilft, ihren fordernden Beruf  gut ausüben zu können.

Im  achtsamen Umgang miteinander, in den gegenseitigen Anregungen sollte eine Haltung von Wertschätzung erlebt werden können.

Als Hintergrund der Arbeit soll aus der Fülle aktueller Literatur ein Werk herausgegriffen werden: Das Buch von Julian Nida-Rümelin: Philosophie einer humanen Bildung, edition Körber- Stiftung, Hamburg, 2013.

Die Kongressarbeit braucht als Basis eine gute Kooperation verschiedener Partner. Das können Stiftungen, Kommunen, Verlage, Fortbildungsinstitute, Bildungsbüros und Träger von Kindertagesstätten sein.

Dr. phil. Karl Gebauer (Februar 2014)