Zukunftschancen in unruhigen Zeiten? Über die Kraft einer humanen Bildung


(Größenphantasie eines 9jährigen Jungen, der auf diese Weise versucht, sich eine innere Sicherheit zu verschaffen. Das Projekt „Zeit für ein Kind“ wäre wahrscheinlich für ihn eine große Hilfe gewesen.)

Festvortrag für die Bürgerstiftung Göttingen (03.06.2025)

(überarbeitete Vortragsfassung)

Unsere Zukunft ist ungewiss!

Inmitten einer Welt, in der Komplexität und Unsicherheit den Takt angeben, sollten wir uns immer wieder bewusst machen, dass in der Gestaltung empathischer Beziehungen die Quellen für eine innere Stabilität zu suchen und zu finden sind (Gebauer, K., 2025). Unsere Möglichkeiten, als Einzelne das Weltgeschehen zu beeinflussen, sind in einer globalisierten Welt äußerst gering. Aber wir können unseren Blick auf den Nahbereich richten, sollten alles tun, um unsere Kommunikation gut zu gestalten. Das gilt in besonderer Weise für den Umgang mit unseren Kindern. Das bedeutet nicht, sich von den Problemen der Welt abzuwenden. Angesichts weltpolitischer Verwerfungen und gesellschaftspolitischer Veränderungen werden Vorschläge gemacht, die im Nahbereich zu Aktivitäten anregen, die im Kern sowohl eine positive Wirkung auf die individuelle Resilienz eines Menschen als auch auf gesamtgesellschaftliche Prozesse haben könnten. (vgl.:„Stürmische Zeiten – stabiles Ich“, in: Psychologie heute, Heft 2, 2025).

220 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Viele Menschen erleben Verfolgung, Hunger und Tod. Putins Angriffs-Krieg gegen die Menschen in der Ukraine könnte sich auf weitere Teile von Europa auswirken. Es herrscht Krieg zwischen Israel und der Hamas, der furchtbares Leid im Gazastreifen unter der palästinensischen Bevölkerung anrichtet. Tausende Menschen sind in dem Land vom Hungertod bedroht. Bilder von der unvorstellbaren Zerstörung und dem Leid der Menschen sind täglich in den Medien präsent. Leser*innen, die sich mit der historische Entwicklung in dieser Region beschäftigen, wissen, dass der Konflikt viele Ursachen hat und dass die angestrebte Zwei-Staaten-Lösung bislang keinen Erfolg hatte. (Baumgarten,H./Paech,N.,2025)

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WAS MACHT EINE GUTE KINDHEIT AUS?

Kinder benötigen Selbstvertrauen und Mut, um gut durchs Leben zu kommen. Diese Fähigkeiten erwerben sie besonders dann, wenn sie sich bei erwachsenen Personen (Eltern, Erzieherinnen) sicher und geborgen fühlen. Hinzukommen müssen unterschiedliche Anregungen, die sie eigenständig umsetzen können. So erleben sie, dass sie selbst etwas bewirken können. Die Erfahrung von Geborgenheit und Selbstwirksamkeit führen im kindlichen Gehirn zur Ausbildung eines Netzwerkes, das die Grundlage für alle weiteren Prozesse des emotionalen, kognitiven und praktischen Lernens bildet. Diese Annahmen werden an Beispielen konkretisiert.

DER ÜBERGANG VOM KINDERGARTEN IN DIE SCHULE

Die KITA – erste Institution außerhalb des Elternhauses – sollte ein Ort der Geborgenheit und des Lernvergnügens sein. Hier entwickeln sich wichtige Beziehungen zu anderen Kindern und zu den Erziehrinnen. Der Übergang vom Kindergarten zur Schule ist oft von emotionalen Unsicherheiten begleitet. Ein Kind muss lieb gewonnene Menschen zurücklassen und zu unbekannten Personen neue Kontakte knüpfen. Es gilt Abschied zu nehmen und einen Neuanfang zu wagen. Continue reading

DIE KRIPPE ALS LEBENS- UND LERNORT – BILDUNG IN DER FRÜHEN KINDHEIT

Quelle: Gebauer: Gefühle erkennen; Foto Jürgen Hast

Quelle: Gebauer: Gefühle erkennen; Foto Jürgen Hast

In den kommenden Jahren werden in vielen KITAS Plätze für Kinder unter drei Jahren eingerichtet. Der Übergang in die Krippe stellt für Kinder, Eltern und Erzieherinnen eine besondere Herausforderung dar.

Die Basis für eine gelingende Entwicklung ist eine sichere Bindung an die Eltern. Kinder müssen aber fast alles, worauf es in ihrem späteren Leben ankommt, durch eigene Erfahrungen lernen. Daher brauchen sie eine anregungsreiche Umwelt, die ihnen viele Entdeckungen ermöglicht. Sie müssen sich in der Krippe zu Hause fühlen. Continue reading

ERZÄHLKULTUR IM KINDERGARTEN – „KOMM REIN UND ISS MIT MIR KUCHEN!“

Erzählen, Vorlesen und das Betrachten von Büchern gehört zum wichtigen Bestandteil einer sprachlichen Erziehung und Bildung. Ein gelungener Spracherwerb darf als eine der wichtigsten Voraussetzungen für Entwicklungs- und Bildungsprozesse angesehen werden. Forschungsergebnisse über die Wirksamkeit von Sprachfördermaßnahmen deuten darauf hin, dass vor allem eine gelingende Beziehung zwischen Erzieherinnen und Kindern eine positive Auswirkung auf Sprachentwicklungsprozesse hat.

Es gilt daher, allen interaktiven Prozessen eine große Aufmerksamkeit zu schenken. Aus wissenschaftlicher Sicht hat die Beziehungsgestaltung eine revolutionäre Neubewertung erfahren. Wir wissen heute, dass die Qualität der Beziehung die Ausbildung neurologischer Strukturen beeinflusst. Beachtung, Anerkennung und Zuwendung aktivieren das Motivationssystem. Continue reading

„GUCK MAL, DA BIN ICH!“ – DIALOGE MIT KINDERN UNTER DREI JAHREN

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Foto: Helene-Souza / pixelio.jpg

Viele Bedingungen spielen bei der Entwicklung der kindlichen Sprache eine Rolle. Da diese Bedingungen für die Kinder sehr unterschiedlich sind, ist es normal, dass auch ihre Sprachentwicklung große Unterschiede aufweist. Eltern und Erzieherinnen müssen sich die Frage stellen, ob sie die oft sehr großen Unterschiede emotional akzeptieren und angemessen auf die jeweiligen sprachlichen Äußerungen reagieren können.
Schon vom dritten Monat an probiert ein Kind, was es mit Zunge, Lippen und Spucke alles machen kann. Kurze Zeit später bildet es Laute und Lautfolgen, wie a aa a oder oo o ooo. In dieser Phase sollten die Bezugspersonen sowohl die beruhigende Babysprache imitieren als auch in gewohnter Sprechweise die Vorgänge beim Wickeln, Füttern, Waschen und Anziehen benennen. Sie sollten ihre Handlungen sprachlich begleiten. In den Anfängen nehmen wir bei Kinder Lautmalereien wie brrrrr oder brumm wahr. Meistens stehen sie für Fahrzeuge wie Autos, Trecker, Flugzeuge. Sie werden als Brückenwörter angesehen. Zwischen dem 10. und 14. Monat können Kinder Wortklänge wie Nane, Dede, Mimi, Hühang aus Wörtern heraushören und diese produzieren. Oft ist nur aus dem Kontext zu erkennen, welche Bedeutung einem Lautgebilde zukommt. In der Folgezeit entstehen Wörter für die wichtigsten Personen (Mama, Papa), für Dinge (Haus, Löffel, Bagger) und auch für Lieblingsspielsachen (Puppe, Auto, Teddy). Schließlich bilden sich durch Beobachtungen in Alltagssituationen „Relationswörter“ wie „da“ oder „weg.“ Im Alter von zwei Jahren sprechen viele Kinder Wörter wie: Mama, Papa, Ball, Puppe, Hund oder Wauwau. Dodil, Tator, Schleifwurst und viele andere Produktionen entstehen und geben der Bezugsperson oft nur für Sekunden ein Rätsel auf. Dann lässt dich die Bedeutung aus dem Kontext erahnen.

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IM SPIEL DIE WELT ENTDECKEN – WARUM ERLEBNISRÄUME FÜR DIE PERÖNLICHKEITSENTWICKLUNG SO WICHIG SIND

Foto Jürgen Hast; Quelle Gebauer, Gefühle erkennen

Foto Jürgen Hast; Quelle Gebauer, Gefühle erkennen

Kinder werden als Entdecker geboren. Mit großen Augen blicken sie unmittelbar nach der Geburt in die Welt. Ein Kind spiegelt sich in den Augen der Eltern und sucht zu erkunden, ob es in dieser Welt willkommen ist. Durch diese frühen Spiegelungsprozesse wird die Entwicklung des kindlichen Gehirns angeregt. Viele Faktoren haben Einfluss auf das Wohlergehen und die Lernfreude eines Kindes. Eine entscheidende Voraussetzung für die Persönlichkeitsentwicklung ist eine anregende, freundliche und wertschätzende Atmosphäre in der Familie, im Kindergarten und in der Schule. Wenn die Bezugspersonen aufmerksam die Signale der Kinder wahrnehmen und zu verstehen suchen, wenn sie empathisch reagieren, dann lernen Kinder bereits in den ersten Lebensjahren den achtsamen Umgang miteinander. Continue reading

INTERAKTIONEN – SCHATZKAMMER DER SPRACHLICHEN BILDUNG

Quelle: Gebauer: Gefühle erkennen; Foto Jürgen Hast

Quelle: Gebauer: Gefühle erkennen; Foto Jürgen Hast

Aus wissenschaftlicher Sicht hat die Beziehungsgestaltung eine revolutionäre Neubewertung erfahren. Wir wissen heute, dass die Qualität der Beziehung die Ausbildung neurologischer Strukturen beeinflusst. Beachtung, Anerkennung und Zuwendung aktivieren das Motivationssystem. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass vor allem eine empathische Beziehung zwischen Erzieherinnen und Kindern eine positive Auswirkung auf die Sprachentwicklung hat. Es gilt daher, allen interaktiven Prozessen eine große Aufmerksamkeit zu schenken. Die Interaktionen der Kinder sind eine Schatzkammer der sprachlichen Bildung. Im Kontakt mit anderen Kindern lernt ein Kind, seine Bedürfnisse und Ziele mit Gleichaltrigen abzustimmen und durchzusetzen. Continue reading

MIT KINDERN VIELE FACETTEN VON SPRACHE ERLEBEN – ENTWICKLUNG EINER ERZÄHLKULUTR IM KINDERGARTEN

Erzählen, Vorlesen und das Betrachten von Bilderbüchern sind wichtige Bestandteile einer sprachlichen Bildung. Als Bedingungen für einen erfolgreichen Spracherwerb gelten:

  • ein wertschätzendes Erziehungsklima,
  • sichere Beziehungen,
  • ein feinfühliges Kommunikationsverhalten.

Kinder müssen immer wieder die Erfahrung machen, dass sie mit ihrer Sprache etwas bewirken können. Die Erfahrung von Selbstwirksamkeit beflügelt das eigene sprachliche Handeln. Forschungsergebnisse über die Wirksamkeit von Sprachfördermaßnahmen deuten darauf hin, dass vor allem eine empathische Beziehung eine positive Auswirkung auf Sprachentwicklungsprozesse hat. Continue reading

MOBBING IN DER SCHULE = WAHRNEHMEN – VERSTEHEN – ANGEMESSEN HANDELN

Gewalttätige Auseinandersetzungen unter Kindern und Jugendlichen erregen in den letzen Jahren immer wieder die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Für das Ausüben von Gewalt gibt es viele Ursachen. In der Regel haben gewalttätige Kinder eine unzureichende Zuwendung und zu geringe Anregungen durch nahe Personen erfahren. Oft suchen sie den daraus resultierenden Mangel, der als innere Leere, Wut oder Hass erlebt wird, abzuwehren, indem sie Gewalt gegenüber Schwächeren ausüben. Sie hoffen vergeblich, über dieses Muster ihre tief sitzende Angst überwinden zu können. Gewaltsituationen, wie sie in der Schule auftreten, können am ehesten über klärende Gespräche gelöst werden. So können die beteiligten Schüler und Schülerinnen eine emotional-soziale Kompetenz entwickeln. Continue reading